Mittwoch, 7. November 2012

Katalogophobie (2)


FÜHL DICH ZU HAUSE IN DEINEM ZU HAUSE… ja genau … das klingt gut. Aber mal ganz ehrlich – welche Frau hat nicht schon mal den IKEA-Katalog gewälzt und sich gefragt, warum das eigene zu Hause irgendwie immer nach Bombenattentat aussieht, obwohl man schon bereits im Windfang die Schuhaufbewahrungslösung TJUSIG in zweifacher Ausführung aufgestellt hat. Zum einen müssten die Regalchen bei uns eher MYFFLIG heißen, denn die Skateschuhe von 13 jährigen Jungs haben ein sehr spezielles Aroma, zum anderen liegen  trotz dieser praktischen Dinger, die nicht mal Türen haben, die man öffnen und schliessen müsste, mindestens 5 Schuhe in der Diele verteilt. Auf dem sechsten liegt die Katze und zerkaut genüsslich den Schnürsenkel. Ich frag mich, wie viele Füße mein Sohn hat. Als er auf die Welt kam, waren es zwei, da bin ich mir sicher. Was macht er also mit 6 nahezu identischen Schuhen gleichzeitig? Ich schubse, noch in voller Montur, alle Schuhe in den Windfang und schließe die Tür, um an die Garderobenleiste aus derselben Serie TJUSIG zu kommen. Die hängt voll. Klar. 5 Haken bei 3-4 Personen ist ja auch knapp. Und ich kann nicht mal meine Kinder dafür verantwortlich machen, denn die kämen niemals auf die Idee, ihre Jacken da hin zu hängen. Toms Jacken hängen gewöhnlich gut über den Landkreis verteilt in der Schule, beim Gitarrenlehrer, bei seinem Papa, in der Skatelounge oder liegen in den Kofferräumen verschiedener Autos. Es sind also ausschließlich meine Jacken die sich da stapeln. Okay, da müsste mal geräumt werden. Ich zieh meine Jacke aus und wurschtel sie noch irgendwie dazu. Tasche – voll mit allerlei Kram – erst mal aufs Sofa. Im IKEA-Katalog gibt’s auch Seiten, wo ganze Wohnzimmer zu sehen sind. Wo der Couchtisch LIATORP mit Glasplatte und Schubladen und Zwischenboden abgebildet ist. Wieso liegen bei mir Bonbon-Papierchen, benutzte und unbenutzte Zellstoff-Taschentücher, leere PET-Flaschen, 3 Fernbedienungen, Nagellack, Kabel unbekannter Herkunft und mehrere Kugelschreiber auf dem Tisch und nicht die Aluminium-Klangschale ANGENÄM und auch nicht die Edelstahlschale SKÖR und ebenfalls nicht die Holzschale VINÄGER. Ich hab so was mal gekauft. Soweit ich mich erinnere, befinde sich Holzschale VINÄGER im Schuppen und dient als Überwinterungsunterlage für eine Amaryllis-Knolle von vor drei Jahren. Nun, ich bezweifele, dass da noch irgendwelches Leben drin ist. Ich räume den Tisch halbwegs auf und schau mich um. Stehlampe DUDERÖ aus japanischem Ballonpapier ist eigentlich schön. Finden meine Katzen allerding weniger. Deshalb wird sie nach und nach von 16 Krallen an zwei verschiedenen Katzen zu feinen Streifen verarbeitet. Plaid INDIRA in weinrot liegt zerknuddelt in der Sofaecke. Als ich sie ausschüttele, um sie ordentlich kataloggemäß zusammenzufalten, rieseln Chipsbrösel auf meinen Schiffsdielenboden und verschwinden auf nimmerwiedersehen in den Ritzen. Ich seufze. Ich bräuchte einfach auch noch ein bisschen Stauraum. Im Katalog steht ein simples, nach allen Seiten offenes Holzregal IVAR mitten im Raum. Nicht nur, dass bei mir auch alles zu allen offenen Seiten rausfallen würde, nein. Es steht auch noch dick dabei, dass das Regal an der Wand befestigt werden muss. Wieso müssen die das nicht? Ich schleppe mich frustriert in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Auch da… es sieht aus, als hätte irgendwer ein dreigängiges Menü gekocht und hätte die Küche dann fluchtartig verlassen. Dunkel erinnere ich mich, dass ich das war. Vorgestern abend. Geburt. Gerade hatte ich meine IKEA – TK –Köttbullar (1. Gang) in die entsprechende Tüten-Rahmsoße (2. Gang) plumpsen lassen und die Öko-Salzkartoffeln (3. Gang) abgegossen, klingelte das Handy. Zweitgebärende – zackigzackig. Köttbullar samt Soße und Kartoffeln herunterschlingen. Keine Zeit mehr zum Spülen. So zackig wars dann aber doch nicht und dauerte bis in den frühen Morgen. Dann schlafen. Nachmittags Nachsorgen. Abends Tanztrainig. Schlafen. Morgens Sprechstunde. Und jetzt Feierabend. Verdammt – wieso fotografiert man nicht mal Katalogbilder bei Frauen wie mir. Dann müssten sich tausende arme Frauen, denen es genauso geht , nicht mit solchen Ansprüchen herumärgern. 
Ich möchte bitte morgen früh aufstehen, eine aufgeräumte Küche und einen gedeckten Frühstückstisch vorfinden. Oder Kaneelbullar und Kaffee auf Tablett BÄRBAR am Bett HEMNES serviert bekommen. Allerdings würde das bei mir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so enden, dass ich mir den Kaffee auf Blümchen-Bett-Bezug ALVINE kippen würde… was in den Katalogen auch nie zu sehen ist.

Samstag, 3. November 2012

Katalogophobie (1)


Das letzte Posting entstand, als ich den Quiéro-Katalog durchblätterte. Hab natürlich sofort damit aufgehört, weil ich ja schnell was über Adventskalender schreiben musste. Irgendwann hab ich ihn dann wieder zur Hand genommen… blöderweise … denn immer öfter stelle ich fest, dass die Illusion der harten Wahrheit weichen wird. Und dabei ist es egal, ob es der IKEA-Katalog ist oder der Deerberg-Versand. Das zalandoo-Prospekt oder der Quiéro. Es war schon damals so. Bei Jako-o und Baby-Walz. 


Der Jako-o Katalog war in den 90ern, als Mine auf die Welt kam, so etwas wie eine Bibel. Die Bilder dort zeigten nicht Produkte, die man kaufen konnte, sondern sie versprachen Lifestyle für ein Leben mit Kind. Wenn Du nun schon kein Yuppie-Leben mehr führen kannst, dann kauf wenigstens eine Matschhose mit Stil. Ich kaufte bei Jako-o. Gern und viel. In den Katalogen saßen die Kinder auf dem dort erhältlichen Riesenspielteppich und spielten friedlich miteinander ein HABA-Gesellschaftsspiel. Sie tranken manierlich aus bunten Bechern und im Hintergrund sah man zwei Elternpaare entspannt auf einem Sofa sitzen, welches nicht Schoko-, Milch- und Karottenflecken aufwies, so wie unseres damals. Lag wahrscheinlich daran, dass ich nicht rechtzeitig den richtigen umbaubaren Trip-Trapp gekauft hatte und auch nicht den orangefarbenen „mit-Ärmeln-Karotten-Latz“.


Meine Kinder und ihre kleinen Besucher spielten übrigens selten bestimmungsgemäß mit den Sachen. Zum Beispiel diese Steckperlen, die man nachher bügeln muss um alle Omas mit sternenförmigen Untersetzern zu beglücken, wurden auch immer mal wieder dazu benutzt, in der HABA-Holz-Küche Eintopf zu kochen. Der Eintopf wurde durchs Zimmer getragen um am Tisch in IKEA-Puppentellern serviert zu werden, Kind fiel über ein herumliegendes rotes Rody-Gummi-Hüpftier und mit ihm hunderte bunter Plastik-Röhrchen-Stückchen quer durchs Zimmer. Super! Um sie einfach aufzusaugen waren sie zu teuer. Um sie einfach aufzuheben waren sie zu klein. Und um sie zu ignorieren waren sie zu groß. Um sie gar nicht erst zu besitzen zu wollen waren sie zu interessant. Und um sie gar nicht erst zu kaufen war ich zu sehr moderne Mama. Das Spielchen endete gewöhnlicherweise damit, dass wir irgendwann versuchten, sie  mit einem Jako-o-Besen auf DIN A 4-Zettel zu schieben. Um sie dann wieder in den Topf der Holzküche … naja … Ihr wisst schon.


Die Regensachen von Jako-o sind echt super. Mir war ja auch klar, dass Kinder bei jedem Wetter an die Luft sollen. Aber ich war ja nun kein Kind mehr. Mir fielen wenig Gründe ein, warum ich bei 6,5 °C und Dauerregen länger als unbedingt nötig mit meinen Kindern durchs Dorf hätte laufen müssen. In  den Katalogen spazierten die Eltern mit Jack-Wolfskin oder The-North-Face-Allwetterjacken relaxed hinter den Kindern her und sahen zu, wie die Bälger gut gelaunt von einer Pfütze in die nächste sprangen. Wenn ich mich und meine Kinder von einem Regenspaziergang überzeugen konnte, dann nur unter Versprechungen von heisser Schokolade, Waffeln und Kirschen und Sahne. Mindestens. Und nur 20 Minuten. Höchstens! Jeder der Kinder hat, weiß was es heißt, eine 7-jährige und einen 2 1/2- jährigen wasserdicht zu verpacken. Der Kleine muss unter Garantie aufs Klo, sobald er in Hemdchen, Höschen, langer Unterhose, Shirt, Stiefelsocken, Matschträgerhose, Gummistiefeln, Regenjacke und Mütze an der Wohnungstür steht. Die Große geht nicht ohne ihren City-Roller aus dem Haus und lässt sich nur unter Androhung von harten Sanktionen davon überzeugen, dass die neue pinkfarbene Strickjacke keine gute Idee bei dieser Wetterlage ist. Der Vater der Kinder steht bereits im Regen und testet ungeduldig wartend die Dichtigkeit seiner neuen Trekkingschuhe. Ich selbst bin bereits patschnass geschwitzt, bis es überhaupt losgeht und ich bin mir nicht sicher, ob Kakao und Waffeln eine ausreichende Belohnung dafür sind, eine ganze Stunde lang, gedopt durch ein simples Werbeprospekt, Jako-o-Familie zu spielen.